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Wildspitze – Arbeit an den eigenen Zielen

Arbeit an den eigenen Zielen - Wildspitze

Wildspitze – ein seit 2010 gefasstes Ziel

Für eine bestimmte Art von Erfolg ist es notwendig Ziele zu haben – das predigen Generationen von Erfolgstrainern und Autoren seit einer Ewigkeit. Eines meiner Ziele ist seit langem die Besteigung der Wildspitze in den Ötztaler Alpen. Ein Foto von ihr, der Wildspitze, hängt seit 2010 an meinem Büroschrank. Sprich, ich sehe sie seit fast 4 Jahren täglich.

Wildspitze - Aufstieg im Mondlicht

Wildspitze – Aufstieg im Mondlicht

Nachdem ich sie nicht nur seit Jahren täglich sehe, sondern auch mit vielen vielen Touren in den Ötztaler und Stubaier Alpen umkreist habe, ist sie in 2014 definitiv fällig – so der Entschluss. Mit meinem Bergpartner Heiko zusammen sollten auch die Gletscherpassagen nicht mehr das Problem sein, das eine Besteigung verhindern könnte.

Der Wetterbericht dieser Woche versprach schon am Mittwoch einen sehr sonnigen und warmen Samstag mit über 15 Grad im Tal. Der will genutzt werden. Einzige Schwierigkeit: Ich hatte am Freitagnachmittag noch einen längeren geschäftlichen Termin bis etwa 17 Uhr, der nicht verschoben werden konnte. Trotzdem, das kriegen wir hin.

Wildspitze – der Plan und die Umsetzung

Unser Plan war Folgender: Von Mittelberg im Pitztal aus den Aufstieg mit Ski auf die Braunschweiger Hütte. Dort kurze Übernachtung im Winterraum und frühmorgens gleich weiter über den Gletscher zum Mittelbergjoch. Von dort werden wir die Wildspitze im Blick haben. Der Rest des Aufstiegs soll über den Taschachferner gehen, über den wir auch wieder Abfahren wollen. Mit der Skiabfahrt über den kompletten Taschachferner werden wir wieder über das Taschachtal nach Mittelberg gelangen. Sicher eine der längsten Möglichkeiten einer Besteigung der Wildspitze, aber die für mich reizvollste Variante.

Wildspitze - Aufstieg im Mondlicht

Wildspitze – Aufstieg im Mondlicht

Heiko und ich trafen uns am Freitag um 18:30 Uhr an der Autobahnausfahrt Oy-Mittelberg (vielleicht ein Zeichen!). Fast zwei Stunden später fuhren wir auf dem fast verlassenen Parkplatz der Pitztaler Gletscherbahn in Mittelberg im Pitztal ein. Wie vorhergesagt hatten sich die Wolken, die abends durchziehen sollten wieder verzogen. Das Licht des Vollmonds und die reflektierende Schneedecke erleuchtete das Pitztal fast wie bei Tage.

Aufstieg zur Braunschweiger Hütte im Vollmondlicht

Schnell waren unsere schweren Rucksäcke (2 Flaschen dunkles Weizen on board) geschultert und die Ski angeschnallt. Etwas mehr als 1.000 Höhenmeter sind von Mittelberg aus bis zur Braunschweiger Hütte über das sogenannte Gries zu erklimmen. Anstatt des Wanderwegs zur Hütte, der ein Teil des Europäischen Fernwanderwegs ist, wählten wir den Aufstieg über den Notweg, der vom Pitztaler Gletscherskigebiet hinunter führt. Der Wanderweg wäre um diese Jahreszeit ungespurt und führt teils durch sehr steiles Gelände. Somit ist der Aufstieg über den Notweg sicherer.

Kurz nach unserem Start (20:38 Uhr) unserer nächtlichen Skitour treffen wir einen Einheimischen, der mit seinen Hund unterwegs ist. Er fragt, wo es hingeht. Als er hört: Braunschweiger Hütte, fragt er etwas erstaunt: „Aber ihr kennt schon den Weg?“. Ja, wir kennen ihn :-).

Die Spur durchs sogenannte Gries hinauf beginnt recht flach entlang des Bachs, dann wird sie immer steiler und durchquert felsiges und steiles Gelände. Der Bau dieses Notwegs stieß bei Naturschützern nicht auf Begeisterung, doch heute Abend sind wir froh ihn statt der steilen Flanken des Berges nutzen zu können.

Meter um Meter kommen wir höher. Nur im Bergschatten oder wenn einige hohe Wolken den Mond abdecken brauchen wir die Stirnlampen. Meist erhellt der Mond eine einzigartige Hochgebirgslandschaft, wie ich sie nicht jeden Tag, und vor allem „nicht jede Nacht“ erlebe. Ein Erlebnis der Extraklasse.

Über den Mittelbergferner zur Braunschweiger Hütte

Als der in den Fels getriebene Notweg auf den Gletscher des Mittelbergferners mündet, müssen wir die Spur nach links verlassen. Wir queren den tief verschneiten Mittelbergferner, dessen Zunge Jahr für Jahr mehr abtaut.

Eigentlich haben wir die Braunschweiger Hütte ja längst passiert, doch die Abbrüche unterhalb der Hütte zum Gletscher hin verhindern einen direkten Aufstieg mit Ski vom Notweg aus. Am Rand des Linken Fernerkogels (der heißt wirklich so) queren wir zurück in Richtung Hütte. Trotzdem wir die Hütte schon lange sehen, sind die knapp 1,5 km lange. Die letzten 100 Höhenmeter steigen wir in Mondlicht und in Kehren zu ihr hinauf. Es ist 23:30 Uhr, als wir nach fast 3 Stunden Aufstieg den Winterraum der Braunschweiger Hütte betreten.

Das Mondlicht wird weiterhin nur von hohen Schleierwolken getrübt. Die Temperatur liegt nur knapp unter 0 Grad. Es ist so gut wie windstill. Ideale Bedingungen für unser Vorhaben „Wildspitze“.

Nachtquartier im Winterraum der Braunschweiger Hütte

Der Winterraum der Braunschweiger Hütte ist gut ausgestattet. Holz liegt bereit, wir müssen es nur noch Spalten ;-). Zwei Schlafräume für je etwa 10 Personen lassen sich bei offener Tür mitbeheizen. Leider macht der Ofen nicht so recht mit. Der Rauch will nicht dahin abziehen, wo er hingehört, sondern drückt durch alle Ritzen. Erst nach ausgiebigem Lüften bequemt er sich und zieht durch. Vielleicht musste auch erst der Schnee im Rohr tauen – wir wissen es nicht.

Mit dem mitgebrachten Kocher genießen wir eine leckere Portion Nudeln und die ebenfalls hochgeschleppten beiden Weizen. Wir sind übrigens die einzigen Ãœbernachtungsgäste. Die letzte Zeit scheint niemand hier gewesen zu sein (Im Sommer führt der E5 Fernwanderweg hier vorbei – da ist mehr los).

Um 01:15 Uhr kommen wir auf dem Matratzenlager zur Ruhe. Der Wecker steht auf 04:30 Uhr.

Die Wildspitze ruft – Aufstieg zum Mittelbergjoch

Heiko schläft tief, ich liege wach und freue mich nicht zu Frieren. Frieren am Berg ist meine größte Angst. Die Restwärme vom Heizen, die Decken und meine warme Daunenjacke helfen mit. Auf Hütten finde ich selten richtigen Schlaf.

04:30 Uhr, die Wecker-App des Smartphones weckt uns. Noch eine Schlummer-Einheit und wir heizen noch einmal für unser Teewasser ein. Ein kleines Frühstück aus Mitgebrachtem. Um kurz vor 6 Uhr verlassen wir die Hütte. Immer noch beste Bedingungen.

Wildspitze Zielearbeit - Schwünge mit Stirnlampe

Wildspitze Zielearbeit – Schwünge mit Stirnlampe

Wir ziehen ein paar Schwünge im Schein der Stirnlampe den Hüttenhang nach Süden hinunter. Die 1,5 km zurück zum Mittelbergferner schaffen wir trotz leichten Gegenanstiegen mit Schieben, aber ohne Felle. Erst am Beginn des kilometerlangen Mittelbergferners ziehen wir unsere Felle auf die Ski.

Die Strecke von der Hütte bis zum Mittelbergjoch ist etwas mehr als 5 km lang und führt teils über den ungesicherten Teil des Mittelbergferners, teils über präparierte Pisten des Gletscherskigebiets. Langsam wird es heller und heller.

Die ersten Pistenraupen beginnen noch im Halbdunkel ihre Arbeit. Wir werden erinnert, dass wir hier tagsüber nicht mehr allein sein werden. Ein kurzer Kartencheck – ja, das ist der richtige Aufstiegsweg.

Umso höher wir mit unseren Ski aufsteigen, umso unruhiger wird die Luft. Erst nur ein kurzer Luftzug. Dann immer öfter eine eisige Böe. Einen Kilometer vor unserem Etappenziel Mittelbergjoch beginnt es immer unangenehmer zu werden. Über den Graten werden Schneefahnen sichtbar.

Sturm am Mittelbergjoch – die Hölle bricht los

Kurz vor Erreichen des Mittelbergjochs geht die Sonne auf. Es scheint, als ob die Elemente den Sonnenaufgang als Startschuss genutzt haben – es bricht mehr oder weniger die Hölle los. Die letzten Meter vor dem Joch müssen wir immer wieder stehen bleiben. Die Windböen pfeifen mittlerweile mit etwa 60-80 km/h über die Grate. Der aufgewirbelte Schnee kriecht in alle Ritzen. Wir suchen Schutz hinter ein paar Felsen. Es ist kurz vor 9 Uhr morgens.

Wenn wir in den Pausen zwischen den Böen einen Blick übers Joch wagen, sehen wir unser Ziel, den Taschachferner und die Wildspitze. Ãœber dem Gletscher und der Wildspitze sind riesige Schneefahnen im Sturm zu sehen. 2-3 Stunden Aufstieg liegen noch vor uns. Es bedarf nicht vieler Worte zwischen uns – wir beide sehen: Das wird kein Spaß mehr werden.

Rückzug vom Mittelbergjoch – Sicherheit geht vor

Eine Besteigung der Wildspitze ist selbst bei gutem Wetter kein Spaziergang, doch bei dem jetzt plötzlich hereingebrochenem Föhnsturm sehen wir die beiden Faktoren Sicherheit und Spaß sehr gefährdet. Nach wenigen Sätzen ist klar: Wir kehren um und fahren über den Gletscher und das Gries wieder ab ins Tal.

Meine Fingerspitzen sind durch die Windböen eiskalt geworden. Immer wieder muss ich anhalten und meine Arme nach unten schütteln und die Finger reiben, damit die Durchblutung wieder besser wird.

Einzig Vorteil unseres Rückzugs: wir haben ein ganzes Skigebiet mit teils frisch präparierten Pisten ganz für uns alleine. Ich genieße langgezogene Schwünge in hohem Tempo. Lange her dass ich Pistenkilometer gefressen habe. Am Ende der offiziellen Pisten kommen wir wieder an den Notweg, der auch solcher verstanden werden soll. Ab hier sind wir auf eigene Gefahr unterwegs – wir wollten nie etwas anderes :-).

Immer wieder schauen wir bei den Zwischenstopps unserer Abfahrt nach oben auf die Grate. Der Föhnsturm greift in immer tiefere Luftschichten hinunter. Über den Gipfeln und Graten sind mächtige Schneefahnen zu sehen.

Um 09:45 Uhr sind wir zurück am Auto. Viele Skifahrer die hinauf ins Gletscherskigebiet wollen sind am Eintreffen. Es ist sonnig, für Februar sehr warm, eine Winteridylle – einzig die Durchsage: „Achtung! Wegen Sturm herrscht im Skigebiet eingeschränkter Liftbetrieb!“ trübt das Szenario.

Maximales Erleben – Berge wie die Wildspitze laufen nicht weg

Am Fernpass gönnen wir uns ein alkoholfreies Weizen. Gegenüber sehen wir eine Aufstiegsspur von Tourengehern.

Die Wildspitze läuft bekanntlich nicht weg, sie wird auch morgen noch am alten Platz sein. Ihr Foto, das ich als erklärtes Ziel ja abhängen wollte, wird nun weiterhin in meinem Blickfeld bleiben. Die Arbeit an meinem Ziel „Wildspitze“ werde ich bzw. wir fortführen 🙂

Dieser Tag mit der Arbeit am Ziel Wildspitze war mit maximalem Erleben garniert. Es ist Samstagmittag und seit Freitagmorgen sind Jahre vergangen – für mich.

3 Kommentare
  1. Erika sagte:

    Mutig, bei der Wettervorhersage es trotzdem zu versuchen! Aber immerhin wart ihr draußen unterwegs 😉 Viel Glück fürs nächste Mal!

    Liebe Grüße,

    Erika
    ulligunde.com

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Trackbacks & Pingbacks

  1. […] zwei spannende Skitouren im Pitztal. Ein vom Sturm und Winde verwehter Besteigungsversuch auf die Wildspitze, der am Mittelbergjoch endete. Eine zweite Tour brachte den erhofften Gipfelsieg. Mein […]

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