24 Stunden Wanderung – Wertach 24 – (2) – Nachtschicht
Schnell rein in die Gaststube des Elbsee Restaurants. Für uns Wanderer ist ein großer Tisch reserviert. Die Karte des Restaurants bietet für jeden Geschmack feine Angebote. Ich und einige meiner Kollegen entscheiden uns für Allgäuer Käsespätzle mit Salat.
Während wir uns Stärken – mich freut das helle Weizen besonders – taucht ein neues, doch altbekanntes Gesicht auf. Detlef, Organisator von verschiedenen 24-Stunden-Wanderungen aus Bad Boll auf der schwäbischen Alb (360-grad-schrittweise.de) steht plötzlich neben uns. Er hat sich spontan als zusätzlicher Guide für unsere Nachtschicht bis zum Grüntensee gemeldet. Doch bisher hatte Dieter nichts verraten. Ich hatte es gerochen, dass er dabei sein wird ;-).
Teil 1 verpasst? 24 Stunden Wanderung – Wertach 24 – (1) – Start ins (Un-) Bekannte
Die Käsespätzle waren übrigens Klasse. Auch der prompte und schnelle Service des Restaurants hat mich beeindruckt. Danke nochmal für das Textilklebeband. Da mein rechter Wanderschuh schon leichte Auflösungserscheinungen an der Kappe zeigt, habe ich ihn kurzerhand mit Klebeband repariert – hält prima :-).
Inzwischen ist es dunkel geworden. Vor dem Restaurant erfahren wir, das zwei sich die Nacht nicht mehr zumuten wollen. Einmal sind es Blasen, zum anderen Zweifel an ausreichender Motivation. Aufgeben ist keine Schande – jeder muss hier auf sich und seinen Geist und Körper genau acht geben.
Wir haben nun alle unsere Stirnlampen aufgesetzt. In Erwartung nun den See zu umrunden führt uns Dieter am Restaurant vorbei. „Bitte bildet jetzt 3-er oder 4-er Gruppen und schnappt Euch ein Boot!“ Hoppla, das hatte keiner erwartet. Da der Weg um den See Nachts mit Stacheldraht und dem Übersteigen von Zäunen gespickt wäre, hat Dieter diesen Variante Ruderboot für uns ausgesucht. Klasse.
Wir stechen mit 5 Ruderbooten in See. Erst ist mir nicht ganz klar wo es genau hin geht. Ich als Ruderer gerate erstmal in die Seerosen. Dann leitet mich meine Besatzung auf helle Lichter an anderen Ufer zu. Hier erwartet uns schon Dieters Betreuerteam. Sie lotsen uns sicher zur richtigen Anlegestelle. Nachdem wir alle gelandet sind übernimmt Dieters Team auch den Rücktransport der Boote.
Dann gehen wir in die Nacht. In meinen Augen beginnt erst jetzt die eigentliche 24-Stunden-Wanderung. Bis hierher war es gewissermaßen das Einlaufen – ich bezeichne es gern als Trailer ;-).
Für die Allgäu-Kenner – wir bewegen uns jetzt im Dümpfelmoos. Nach einer guten Stunde beginnt es zu tröpfeln. In der Ferne ist kurz ein richtiges Blitzfeuerwerk zu sehen. Nach kurzer Zeit wird das Tröpfeln immer stärker. Gemeinsam ziehen wir teils Regenjacken an und sorgen für den Regenschutz der Rucksäcke. Einige klappen ihren Regenschirm auf.
Der erste mäßige Schauer dauert nicht allzu lange. Dann nieselt es nur noch. Die Temperaturen sind immer noch angenehm. Ich komme niemals auf den Gedanken an eine lange Hose, die kurze Wanderhose ist völlig ok.
Trotz der angesagten nur kurzen Schauer will der Regen nie mehr wirklich aufhören. Mal ist er stärker, mal ist es nur ein Nieseln. Trotzdem, über die vorausgesagten 1-2 Liter/m² sind wir schon lange drüber :(.
Bei Geisenried unterqueren wir die B12 in Richtung Höllbauer. Die Gespräche werden zaghafter, jeder zieht sich auf seine Weise zurück. Wir brauchen noch viel Kraft für die Nacht.
Nach einigen Schleifen durch den Wald und auf Teer kehren wir an den Lauf der Wertach zurück. Auf Wiesenpfaden am Ufer entlang wird der Regen wieder stärker, langsam wird es unangenehm. Es prasselt mäßig bis stark auf uns herunter. Die Pfützen des Weges umrunden wir nicht mehr alle – es ist egal, nass ist nass. Gerüchtehalber sollen bei solchen Wanderungen schon Popgruppen Ihren Namen gefunden haben – z.B. wetwetwet ;-).
Eine Hütte im Wald bietet uns für eine kurze Rast Unterstand. Klamm sitzen wir nur von unseren Stirnlampen beleuchtet. Bloß nicht den Galgenhumor verlieren. Marcus bietet uns sein Doping-Spezial: Kaffeebohnen mit Schokolade überzogen vom Discounter – „thx – it works :-)“.
Der Regen lässt wieder etwas nach. Kurze Steigungen mit 40-50 Höhenmetern sorgen dafür die Wärme in den Körper zurück zu holen. Noch 5 km sind es bis zu dem Ort Wald. Dort erwartet uns der sogenannte Nachtimbiss. Der Regen soll dort schon aufgehört haben erfahren wir per Handy.
Die Wetterlage gibt uns kaum Licht in der Nacht. Trotzdem gewöhnen sich unsere Augen an die Dunkelheit. Jungvieh bzw. Schumpen auf den Weiden beäugt uns verängstigt und auch fasziniert, manche wollen gern mit uns gehen.
Gegen 1 Uhr Nachts erreichen wir unseren Nachtimbiss. Hier hat das Betreuungsteam von Dieter ganze Arbeit geleistet. Wir bekommen eine geniale Auswahl an Getränken und Speisen serviert.
Wasser, Tee, Kaffee, Kuchen, belegte Brote, würziges Gebäck, Naschereien aller Art. Es ist an alles was ein Ausdauersportler bei solchen Events liebt gedacht.
Da wir uns tagsüber ein schönes Zeitpolster erlaufen haben, können wir uns hier Zeit lassen. Unsere Gespräche wechseln zwischen vielen Themen hin und her.
Was war eigentlich gestern? Wird es ein morgen geben? Jedesmal wieder faszinierend für mich.
Bei diesen Wanderungen in der Gruppe und vor allem auch im Alleingang befinde ich mich sehr im Hier und Jetzt. Es zählt nur der Augenblick, der Moment. Die Zeit wird lang – ein Hauch von Ewigkeit wird spürbar. Nicht nur beim Gehen, selbst in den Gesprächen in den Pausen.
Weiter geht’s. Die Pause war lang. Es dauert ein paar hundert Meter bis meine Beine wieder ohne Ziehen und Schmerzen ihren Schritt finden. Steil und glitschig führt der Weg wieder zur Wertach hinunter. Wir müssen gut aufpassen immer den richtigen Tritt zu finden.
An einer kleinen Hütte entdecke ich diesen Aufkleber. „.. geht einfach, geht leichtfüssig, geht zart ..“ Ist er extra für uns angebracht? Ein Zeichen?
In der Pause hatte meine Wetter-Radar-App noch behauptet, dass der Regen durch sei. Doch weit gefehlt. Es beginnt wieder kräfig zu regnen. Arrgh!
Das ist die Zeit wo wohl jeder das ein oder andere Zipperlein hat. Seien es Blasen oder einfach die Frage „Warum?“. Beim Betrachten des ein oder anderen Wegweisers stellt sich machmal die Frage: „Hätte man hier nicht abkürzen können?“ Aber wir haben uns ja 82 km vorgenommen und da gibt es ab und an wohl eine Schleife extra – nix gerade Wegführung 😉
Die Nächte Ende August sind schon sehr lange. Görisried haben wir lange hinter uns gelassen. Wegen des häufigen Regens ist meine Kamera dauerhaft im Rucksack verschwunden.
Endlich erreichen wir die Hängebrücke über die Wertach. Johannes gibt eine Runde Schokolade aus – sein Rucksack ist ein wahres Schoko-Füllhorn :-).
Pünktlich zum Überqueren der Hängebrücke schüttet es aus Eimern. Der drahtseilgesichterte Holzsteg ist überaus glitschig. Und für das gewisse Etwas sorgt die Schwingung der Brücke. Dann noch ein glitschiger Aufstieg den Hang hinauf und wir erreichen wieder Wiesengelände. Nur noch eine Stunde, dann wird es heller werden.
(Weiter geht’s dann für Euch Leser mit Teil 3, den ich am Freitag fertig stellen werde – no a bisserl Geduld bitte)
Schöner Bericht! Ich habe bisher nur Bilder gepostet. Bericht kommt noch – vielleicht. Bin jetzt Rentner – d.h., ich hab keine Zeit mehr 😉 Einige Buchprojekte, einmal wöchtentlich arbeiten, ein verwilderter Garten, den ich auf dem Gewissen habe usw.
GRüße aus Bad Reichenhall
Michael
P.S. Mein Sohn ist auch Coach 🙂