Unterhalb der Hauptstraße parke ich an der Schule. Der Walser Ultratrail ist mein fünfter Wettkampf dieser Art in 2015. Rucksack packen und an all die Kleinigkeiten denken ist schon Routine geworden. Eine halbe Stunde vor dem Start checke ich in den Startbereich ein. Die Ausrüstungskontrolle wird in Österreich noch genauer genommen als ich es in Deutschland oder der Schweiz erlebt habe.
Um 6 Uhr morgens Start zum Walser Ultratrail
Die 65 km und 4.200 Höhenmeter sind in gewisser Weise ein Heimspiel heute. Einen Großteil der Strecke kenne ich aus Bergwanderungen oder Skitouren der letzten 20 Jahre. Und 65 km sind ja nicht ganz so weit, wie 100 km. Sollte also alles kein Problem sein – oder doch?
In der Nacht hatte es geregnet. Das Wetter ist bedeckt, es nieselt leicht und an den Berghängen hängt der Nebel drin. Von Alphörnern begleitet starten ich und 107 weitere Läufer um 06 Uhr morgens unsere Reise durch das Kleinwalsertal.
Mit meiner leichten Regenjacke wird mir schnell zu warm. Trotz des stetigen Nieselregens muss die Jacke an der ersten Verpflegung nach 4 km runter. Ich liege im hinteren Mittelfeld der Läufer. Ab hier steigen wir auf in Richtung Gottesacker. Der Weg ist wurzelig, nass und mit den bizarren Felsen des Gottesacker nicht gerade leichtgängig. Jeder Schritt will gut gesetzt sein.
Gottesacker und Hoher Ifen im Nebel – Walser Ultratrail
Trotz der Nebelsuppe sind vor mir immer etwa 5 bis 8 Läufer zu sehen. Meine Devise lautet dran bleiben und gleichzeitig auf den eigenen Rhythmus achten. Immer wieder mal rutsche ich auf Fels oder Wurzel kurz weg, doch man gewöhnt sich auch an nassen Untergrund und lernt ihn einzuschätzen.
Dieser erste Teil über den Gottesacker ist neu für mich. Anspruchsvoll zu Laufen, aber auch sehr beeindruckend. Erst mit Erreichen des Hohen Ifen betrete ich mir bekanntes Terrain. Der felsige Pfad rauf zur Ifenplatte geht schnell von der Hand. Kaum zu glauben, dass ich mich vor gut 1,5 Jahren noch geweigert habe mit Turnschuhen in die Berge zu gehen.
Wir laufen weiterhin durch dichte Nebelsuppe. Am Abzweig runter ins Schwarzwassertal wird es erstmals richtig rutschig. Feuchte Erde, Gestein oder Gras – hier bin ich lieber ein wenig langsamer unterwegs. Meinen Sturz beim Eigertrail mag ich nicht wiederholen.
Walser Ultratrail – Der Matsch sei mit Euch
Die plattigen Stellen im Abstieg. Das Stahlseil in der linken Hand gibt bei dieser Nässe die nötige Sicherheit. Hier darf das nächste Mal gerne einer der Fotografen Stellung beziehen ;-).
Technisch wird der Trail jetzt zwar einfacher. Aber frei nach Meister Yoda lautet des Motto heute: „Der Matsch sei mit Euch!“. Aufgeweichte Wege vom nächtlichen Regen. Es lässt sich kaum vermeiden. Meine Schuhe tauchen spätestens jetzt tief in Matsch und Pfützen ein.
Schwarzwassertal und Auenhütte
Spannend ist das Durchqueren einer riesigen Kuhherde, denn es sind Jungtiere mit dabei. Ab der Schwarzwasserhütte führt uns der klassische Weg hinunter zur Melköde und dann zur Auenhütte. Eine der wenigen Passagen mit sicherem Untergrund, auf denen ich es laufen lassen kann. Meine Uhr spricht bis hierher von einem Schnitt um die 10 min pro Kilometer. Genauso hatte ich es geplant! J
An der Verpflegung an der Auenhütte tanke ich Iso-Getränk und Wasser. Cola kommt für mich erst später zum Einsatz. Ein paar Riegel für die Kohlenhydrate und weiter geht’s. Im Aufstieg Richtung Walmendinger Horn kann ich die Zeit, die ich bergab verliere wieder gegenüber anderen Läufern wettmachen. Macht Spaß. Hier bin ich mit guter Energie unterwegs und kann einige Plätze aufholen.
Im Nebel übers Grünhorn – Walser Ultratrail
Der folgende Teil hinüber zum Grünhorn birgt zwar nicht viele Höhenmeter, doch er zieht sich. Vor allem, weil ich dieses Teilstück nicht kenne. Hinter jeder Biegung erwarte ich das Grünhorn, doch es zieht und zieht sich im Nebelgrau. Endlich nach einer gefühlten Ewigkeit wird es steiler und ich weiß, gleich ist das Grünhorn geschafft. Sichtweite 10m – null Panorama. Also nix wie weiter. Den Grat runter und rüber zur Starzelalpe.
Im wieder rutschigen Abstieg nach Baad überholen mich zwei Läuferkollegen. An der Verpflegung in Baad haben wir mit 36 km mehr als die Hälfte geschafft. Ich tanke Iso-Getränk. Cola ist ebenfalls ein Thema. Neben Salzstangen haben es mir hier die Cocktail-Tomaten mit Salz angetan. Superlecker! Eine Banane und ein Riegel für den Aufstieg zur Widdersteinhütte in den Rucksack gesteckt und weiter.
Zäher Aufstieg zur Widdersteinhütte
Auf dem Fahrweg bis zur Bärguntalpe sind trotz des nebligen Wetters viele Touristen unterwegs. Nach der Alpe wird es wieder ruhiger. Für mich wird es jetzt richtig anstrengend. Meine Akkus sind ein wenig am Flackern. Ich konzentriere mich. Schritt für Schritt, einfach weiter, weiter, weiter. Immer wieder waten wir durch Matsch.
Endlich, unterhalb des Widderstein reißen die Wolken auseinander, geben erste Sonnenstrahlen und blauen Himmel preis. Die Widdersteinhütte ist zum Greifen nah.
An der Hütte tut Cola bitter not. Ich tanke so viel Flüssigkeit wie möglich. Die nächste Verpflegung ist 11 km weit weg. Lieber ein halber Liter mehr getrunken als zu wenig.
Vom Nebel in die Sonne – Koblat und Mindelheimer Hütte
Der Strecke übers Koblat zur Mindelheimer Hütte ist mal wieder so eine Art Herzensbrecher. Man sieht schon ewig das Ziel – den kurzen Anstieg bevor es rüber zur Mindelheimer Hütte geht – aber vorher kommt noch eine Kurve und noch eine Schleife und noch eine, arrgh!
Irgendwie zahlen sich die vielen Trainingskilometer dieses Jahr für mich aus. Zwar manchmal zäh, aber es geht immer wieder weiter. Bergauf im Gehen. Auf Geraden oder bergab meist im lockeren Trab oder Laufschritt. Die Beinchen wissen ja schon Bescheid.
An der Mindelheimer Hütte traben wir an den voll besetzten Biertischen vor der Hütte vorbei. Die meisten Gäste dort sitzen vor Apfelstrudel und Kaffee in der Sonne. Ich hab hier schon einige Male übernachtet. Doch heute ist keine Zeit für einen Imbiss dort. Wir haben noch eine Tagesetappe für Normalwanderer vor uns ;-).
Walser Ultratrail – letzte Verpflegung an der Fiderepasshütte
3 ¼ Stunden seien es von der Mindelheimer Hütte bis zur Fiderepasshütte. So behauptet es das Wanderschild. Soviel Zeit haben wir nicht. Gut, dass ich auf den letzten harten Aufstieg zum Fiderepass vorbereitet bin. Manch anderer wird davon überrascht. Meine Akkus ziehen mich zwar nicht schnell, aber doch stetig nach oben. In etwas mehr als einer guten Stunde erreiche ich die Passhöhe. Die letzte Verpflegung an der Fiderepasshütte kommt in Sichtweite. Nur noch ein paar Meter.
Von hier bis ins Ziel sind es nur mehr 11 km. Cola, Cola und Iso – etwa in dieser Drittelung. Ein Gel und einen Riegel eingesteckt und weiter geht’s. Langsam aber sicher kommt mein Stalltrieb auf. „Ich will nach Hause“ ;-).
Wenn da nicht noch 300 Höhenmeter bergauf wären, die noch auf dem Tacho fehlen. Über die Innere Kuhgehrenalpe geht es bergab. Teils anspruchsvoll, teils kann ich es laufen lassen.
Noch fehlen 300 Höhenmeter bis zur Kanzelwand
Immer noch sind da die fehlenden 300 Höhenmeter! Nach rechts hinauf zweigt der Pfad ab. Bergauf bin ich zwar stetig, muss meinen Mitläufer aber ziehen lassen. Die letzten 100 Höhenmeter bis zur Kanzelwand sind wieder supermatschig.
Hinter mir ist aktuell niemand in Sichtweite. Ich bin froh keinen Anstieg mehr laufen zu müssen. Die 800 Höhenmeter runter nach Rietzlern gehe ich langsam an, werde aber von Kilometer zu Kilometer schneller. Die Beine fühlen sich erstaunlich gut an.
Walser Ultratrail – letzter Downhill ins Ziel nach Rietzlern
Durch den Wald runter ist es noch einmal steil und wurzelig. Im Tal unten kann ich schon den Zielsprecher hören. Der Wald endet, eine letzte Wiese vor Rietzlern, ein Schotterweg, dann Teerstraße. Jaa, richtiger Teer, ist das geil!
Die letzten 500 Meter bis zum Ziel. Ich gebe Gas. Die Muskeln sind trotz 65 km noch locker genug für einen schnellen Lauf durch den Ort. Schon von weitem sehe ich meine Frau und meine Eltern auf mich warten. Nach 13:18 Stunden laufe ich glücklich ins Ziel. Mit Platz 43 Gesamt und dem 5. Platz in der AK50 bin ich sehr zufrieden.
3 Ultratrails in 16 Tagen und noch kein bißchen müde
Schön war’s!! Danke an die Macher um Seppi Neuhauser. Der Walser Ultratrail auf Facebook wird sicher ein fester Bestandteil meines Wettkampfjahres.
Meine Familie begrüßt mich! Fotosession! Zwei Bierchen! Meine gelbgrünen Schuhe sind kaum mehr zu erkennen vor Dreck. Auf zur Dusche!
Trotzdem das jetzt der dritte Ultratrail innerhalb 16 Tagen war, fühle ich mich gut. Mein Körper und Geist kommen wieder erwarten gut mit den Belastungen zurecht.
Gegen 21:30 sind Anke und ich zu Hause! Ein Pott Nudeln, ein dunkles Weizen. Dann Badewanne und gegen 23 Uhr ins Bett. Morgen früh um 04:50 geht’s weiter zu einem Geschäftstermin nach München. Die Frisur sitzt ;-)!
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